Geboren, um zu sterbenDas Leben einer Milchkuh

So verläuft das kurze Leben einer Milchkuh in der industriellen Tierhaltung in Deutschland.

Das Kalb kommt mitten im Stall zur Welt, ohne Schutz vor Maschinen oder anderen Tieren. Einen geschützten Platz, an dem Mutter und Kalb vor und nach der Geburt auf Einstreu zur Ruhe kommen können, gibt es nicht. Denn sogenannte Abkalbeboxen fehlen oft. Stattdessen kommen im Laufstall viele Kälber auf dem Spalten- oder versiegelten Betonboden zur Welt. In der Anbindehaltung ist die Situation noch belastender: Hier wird das Kalb in der Mistrinne geboren und die Kuh kann sich nicht zu ihrem Kalb umdrehen, es weder trocken lecken noch versorgen. Wenn keine Menschen die Geburt beaufsichtigen, erhält das Neugeborene häufig nicht rechtzeitig das Kolostrum – jene erste Milch, die sein Immunsystem dringend braucht.

In der Regel wird das Kalb seiner Mutter schon kurz nach der Geburt entrissen. Was beide instinktiv bräuchten – Nähe, Wärme, gegenseitige Fürsorge – bleibt ihnen verwehrt. Dürfen sie ausnahmsweise ein paar Tage miteinander verbringen, ist der Schmerz der Trennung umso größer: Tagelang rufen Kuh und Kalb nacheinander.

In den ersten Lebenswochen verbringt das Kalb seine Zeit allein in einem Kälberiglu. Statt mit seinen Artgenossen zu spielen und gemeinsam zu rennen, bleiben die Tiere isoliert – ohne Kontakt zueinander. Nur selten erlauben Landwirtinnen und Landwirte in dieser sensiblen Phase eine Gruppenhaltung, obwohl Kälber von Natur aus ausgesprochen soziale Tiere sind. Gesetzlich vorgeschrieben ist das gemeinsame Aufwachsen erst ab der achten Woche und selbst hier gibt es Ausnahmen.

Schon wenige Wochen nach der Geburt werden dem Kalb die Hornansätze mit einem glühend heißen Brennstab ausgebrannt – das ist äußerst schmerzvoll, weil eine Betäubung nicht vorgeschrieben ist. Sedierung und Schmerzmittel sind zwar Pflicht, können das Leid aber kaum lindern. Der eigentliche Grund: Mit Hörnern bräuchten die Tiere mehr Platz – Raum, den die Halter*innen ihnen nicht geben. Der Eingriff ist erlaubt, solange die Tiere jünger als sechs Wochen sind.

Da die Milch der Kühe für den Verkauf bestimmt ist, erhält das Kalb künstlichen Milchaustauscher statt Muttermilch. Dieser steht Kälbern oft nicht unbegrenzt zur Verfügung: In vielen Betrieben werden sie nur zweimal täglich getränkt. Die Jungtiere sind dann hungrig, trinken hastig und entwickeln leicht Verdauungsprobleme. Vor allem aber bleibt ihnen das Natürlichste verwehrt – jederzeit bei ihrer Mutter zu saugen, Nähe zu erfahren und ihre sozialen Bedürfnisse zu stillen.

Spätestens mit acht Wochen führen die Tierhalter*innen das Kalb in einer Gruppe mit anderen Kälbern zusammen. Dass die Tiere dabei auf einer weichen Einstreu liegen können, ist jedoch nicht garantiert – ab der dritten Lebenswoche ist diese nicht mehr vorgeschrieben. Wie groß die Gruppe ist, hängt allein von der Zahl gleichaltriger Tiere ab, Vorgaben gibt es keine. Ältere Kühe fehlen, sodass die Jungtiere ohne Vorbilder aufwachsen. Vorgeschrieben sind maximal 1,8 Quadratmeter Platz pro Kalb – ein Minimum, das kaum Raum für neugieriges Entdecken und lebendiges Spiel lässt.

Weil das Kalb seinem starken Saugbedürfnis nicht ausreichend nachgehen kann, wendet es sich seinen Artgenossen zu. Oft beginnen Kälber, an den anderen Tieren zu saugen – ein Verhalten aus Not, das bei den besaugten Tieren schmerzhafte Entzündungen zur Folge haben kann. Manche Rinder zeigen dieses Verhalten ihr Leben lang. Um das zu verhindern, bringen Landwirtinnen und Landwirte Saug-Stopp-Ringe am Flotzmaul der Tiere an. Der Bereich, wo Oberlippe und Nase verschmelzen, ist bei Rindern äußerst empfindlich, sodass die Nahrungsaufnahme sehr unangenehm und schmerzhaft ist. Das qualvolle Einziehen von Maul-Nasenringen ist in Deutschland zwar verboten, wird aber nach wie vor vereinzelt praktiziert. Im Ausland ist diese tierfeindliche Praxis noch erlaubt. 

Das Kalb wächst zur Kuh heran.

In Deutschland werden etwa 3,6 Millionen Milchkühe gehalten. Der Großteil dieser Tiere verbringt sein Leben auf harten Spalten- oder Betonböden in engen Liegeboxenlaufställen. Lebt die Kuh in dieser Haltungsform, bekommt sie höchstwahrscheinlich keinen Weidezugang. Oft sind die Böden von Kot und Urin durchtränkt, rutschig und kalt – ein dauerhafter, unbequemer und gefährlicher Untergrund, auf dem die Kuh kaum Schutz, kaum Bewegungsfreiheit und keinen Moment echten Komfort findet.
 

Gehört die Kuh zu den rund 410.000 – etwa 11 Prozent – aller in Deutschland gehaltenen Milchkühe, lebt sie in Anbindehaltung. 71 Prozent dieser Tiere, also etwa 291.000 Kühe, sind das ganze Jahr über angebunden. Vor allem in Süddeutschland ist diese Haltungsform verbreitet. Ohne Zugang zur Weide kann das sanfte, neugierige Tier seine natürlichen Verhaltensweisen nicht ausleben: Es kann weder grasen noch umherlaufen, nicht ungestört liegen, wiederkäuen oder soziale Kontakte zu seinen Artgenossen pflegen.

Um die Milchleistung zu steigern, wird die Kuh Jahr für Jahr künstlich besamt und verbringt so fast ihr ganzes Leben trächtig, produziert also, bis auf wenige Wochen im Jahr, nonstop Milch. Sie wird zur reinen Gebärmaschine. Die erste Besamung erfolgt bereits mit etwa 15 Monaten. 

Sie ist danach neun Monate trächtig und muss jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen.

So wie sie von ihrer Mutter getrennt wurde…

…wird ihr auch ihr eigenes Kalb weggenommen. Die meisten weiblichen Kälber folgen der Geschichte ihrer Mutter. 40 bis 70 Tage nach der Geburt ihres Kalbes wird die Kuh erneut besamt – ein Kreislauf, der ihr Leben lang anhält. 

Männliche Kälber hingegen sind für die Milchindustrie aus wirtschaftlicher Sicht wertlos, da sie keine Milch geben und zu wenig Fleisch ansetzen. Jährlich werden rund 620.000 Kälber ins Ausland verschickt. Das gleiche Schicksal trifft auch weibliche Jungtiere, die nicht als Nachzucht auf dem Betrieb bleiben. Die Kleinen müssen in einer fremden Umgebung getrennt von ihrer Mutter ein Leben voller Stress bewältigen. Vor Ort werden sie einige Monate gemästet, bevor sie nach nur anderthalb Jahren geschlachtet werden.

Die Kuh wird gemolken, selbst während sie trächtig ist. 

Je nach Rasse produziert sie bis zu 50 Liter Milch pro Tag – eine extreme Belastung für den Körper. Zum Vergleich: 1990 lag die durchschnittliche Milchleistung pro Kuh und Jahr bei rund 4.700 Litern, 2023 bereits bei 8.780 Litern.

Diese enorme Leistung führt bei dem Tier zu körperlichem Verschleiß und Krankheiten. 

Nach nur etwa fünf Jahren ist die Kuh durch die immense Milchleistung und die unnatürlichen Haltungsbedingungen völlig erschöpft. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ihre Milchproduktion einbricht, ihr Stoffwechsel gestört ist, sie lahmt und ihr entzündetes Euter schmerzt. Oft bleibt ihr die medizinische Hilfe aus wirtschaftlichen Gründen verwehrt. Dabei könnte sie bei natürlicher Lebensweise bis zu 20 Jahre alt werden. 
 

Die Kuh wird zum Schlachthof transportiert. Oft erleiden die Tiere währenddessen unvorstellbaren Stress. Die Fahrten können wenige Minuten oder viele Stunden dauern. Eine achtstündige Strecke gilt als kurz, eine 14-stündige als lang. Danach muss der Transport pausieren, bevor es die nächsten 14 Stunden weitergehen kann. Ist der Schlachthof noch weiter entfernt, muss nun eine 24-stündige Pause stattfinden. Dieser Rhythmus kann sich im Extremfall wiederholen. 

Am Schlachthof wird die Kuh abgeladen und in den Wartebereich getrieben. Zusammengepfercht mit anderen Tieren wartet sie dort auf ihr unvermeidbares Ende.

Anschließend treiben Betriebsmitarbeiter*innen die ängstliche Kuh zur Betäubung. Sie fixieren ihren Kopf in engen, vollautomatischen Boxen, die jede Bewegung verhindern, damit das Personal die Betäubung ansetzen kann. Mit dem Bolzenschuss ins Gehirn bricht das Tier zusammen.

Nachdem das Personal überprüft, ob die Betäubung tief genug ist, wird das Tier entblutet. Dabei werden die großen Blutgefäße am Herzen geöffnet, und durch den Blutverlust stirbt es.

All das muss die Kuh durchstehen, damit der Mensch Milchprodukte verzehren kann. Doch es geht anders – vegan und tierfreundlich. Auf unserer Website findest Du Artikel und Tipps rund um die pflanzliche Lebensweise sowie zahlreiche Rezepte. Auch gedrucktes Infomaterial kannst Du ganz einfach über unser Bestellformular anfordern und wir schicken es Dir zu. Weitere Informationen über die Haltungsbedingungen in der industriellen Landwirtschaft erhältst Du in unserem ausführlichen Artikel „Das Leben einer Milchkuh“.

Text & Projektleitung:
Melanie Frommelius

Grafische Umsetzung:
Tim Müller, muellergrafik.com

Wissenschaftliche Mitarbeit:
Dr. Melanie Dopfer, Dr. Stefanie Zimmermann, Kathrin Zvonek

Technische Umsetzung:
Eulenblick – Kommunikation und Werbung, agentur-eulenblick.de